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Diamantstaub für vergoldete Stromleitungen

Heute wurde für alle im Land – Konsumentinnen und Konsumenten genauso wie Unternehmen – eine teure Entscheidung hinsichtlich des Strompreises getroffen:

Das UVEK billigt die Erhöhung des WACC-Satzes für Stromnetze infolge der gestiegenen Zinsen. Das heisst konkret: Die Netztarife werden steigen.

Der Preis für die Kilowattstunde besteht zu rund der Hälfte aus dem Preis für die eigentliche Energie. Rund die andere Hälfte macht der Preis für die Netznutzung und Abgaben aus. Das heisst nichts anderes, als dass dem wenig beeinflussbare Teil der Stromkosten ein gleich grosser Teil gegenübersteht, an dessen Stellschraube wir drehen können. De facto haben wir also sehr wohl die Möglichkeit, den gestiegenen Strompreisen etwas entgegenzusetzen. Leider wurde nun das Gegenteil beschlossen.

Ich bin damit nicht einverstanden und erkläre gern wieso:
Ziel der staatlich regulierten Netztarife ist es a) die Kosten zu decken und b) eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, die Reinvestitionen erlaubt.

Heute dürfen in die Netztarife eine stolze Eigenkapitalrendite in Höhe von 6.96 % und Fremdkapitalzinsen von 1.75 % eingerechnet werden. Rechnerisch ergibt sich ein gewichteter Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC) von 3.83 %.
Diese üppige Ausstattung liesse sich eigentlich nur mit einem besonders hohen Risiko rechtfertigen, das abgegolten werden müsste. Eigentlich – denn in diesem Fall lässt sich zur Risikolage sagen: Stromnetze sind Monopole. Die Netzkosten dürfen zusammen mit einem Gewinnzuschlag an die Endkunden überwälzt werden. Alternative haben wir keine. Ein Risiko gäbe es nur, wenn wir kollektiv zurück in eine Vergangenheit ohne Strom wollten: Pfahlbauer-Romantik also. Aber die gibt es eigentlich doch nur noch in Fernsehserien im Australischen Outback beim IBES-Dschungelcamp.

Ein Blick auf die Leitzinsentwicklung der SNB hilft bei der Einordnung: Von 2009 bis 2015 dümpelte er zwischen 0.5 und 0.0 Prozent und war danach bis September 2022 sieben Jahre lang negativ. Der WACC-Zinssatz hingegen blieb von dieser Entwicklung faktisch unbeeindruckt.

Wie kann das sein? Die aktuelle WACC-Berechnungsmethode gemäss bundesrätlicher Verordnung sieht bei sinkenden Zinsen eingebaute Schwellenwerte vor. Sie verhindern, dass Zinssenkungen voll durchschlagen können. Dadurch entkoppelte sich die Stromnetzvergütung via Zinssatz von der «normalen» Wirtschaftsentwicklung – zugunsten der Stromnetzbetreiber, zulasten der Stromkundinnen und -kunden. Man darf also mit Fug und Recht sagen: Die Stromnetzbetreiber haben lange Jahre sehr, sehr gut verdient.

Nun sind die Zinsen wieder gestiegen, was zur Folge hatte, dass ebenfalls der WACC-Satz steigen kann, denn die steigenden Zinsen werden – anders als die fallenden Zinsen – durch keine eingebauten Schwellenwerte gebremst. Eine völlig einseitige Regelung also zu Gunsten der Stromwirtschaft.

Hätte es Optionen gegeben? Ja, hätte es. Der Bundesrat hätte seine eigene Verordnung ändern können. Ich hatte ihm das aufgrund der stark steigenden Strompreise bereits im Juni 2022 empfohlen. Denn in meinen Augen ist diese Sache nicht ausgewogen: Von der Bevölkerung und Wirtschaft verlangt man, dass sie Strom sparen und auf der anderen Seite werden die sowieso schon überreichlich entschädigte Netzbetreiber noch mit einen «Nachschlag» beglückt: Zusätzliche 57 Mio. Franken jährlich.

In der Schweiz sind wir stolz auf schlanke gesetzliche Regelungen, die auf Eigenverantwortung der Unternehmen und dem Subsidiaritätsprinzip fussen. So ist es grundsätzlich auch im Strombereich. Nur wird hier seit Jahren der «angemessene Gewinn» mehr als grosszügig bemessen und nun sogar noch erhöht. Solidarität scheint hier eine sehr einseitige Sache zu sein. Das sollte man ändern. Und zwar schnell.


Stellungnahme des Preisüberwachers im Mitwirkungsverfahren, 16.1.2023: Kapitalkostensatz (WACC) für Stromnetze