Wer mitarbeitet, wird belohnt - das ist die Idee hinter den Rabatten für die online Etikettierung von privaten Inlandpaketen. Eine folgerichtige Entscheidung des Jahres 2020 mit perfektem Timing:
Privatkunden, die ihre Inland-Pakete selber online etikettieren und auch online bezahlen, erhalten einen Rabatt zwischen 1.50 bis 3.00 Franken pro Sendung. Sowohl online etikettierte und frankierte Pakete als auch über MyPost24-Automaten adressierte und aufgegebene Pakete können profitieren.
Das ist nicht nur gut fürs Portemonnaie, sondern auch für die Gesundheit: Denn durch das online Etikettieren wird der grösste Teil der Arbeit zuhause erledigt. Die Aufenthaltszeit in der Postfiliale bzw. Postagentur reduziert sich oder fällt ganz weg, wenn man den MyPost24-Automaten für den Versand wählt. Der Weg zum online-Etikett ähnelt dem online Shopping: Registrieren, auswählen, bezahlen, aufkleben, fertig. Versuchen Sie es, dann wissen Sie zur Weihnachtssaison schon, wie es geht.
Dieser Rabatt ist natürlich erfreulich, aber leider hat die Post auch andere Pläne. So schreibt sie in der heutigen Medienmitteilung:
«Der Markt wie auch die eigene wirtschaftliche Situation der Post machen Preisanpassungen bei den Paket- und Briefdienstleistungen in den kommenden Jahren indes erforderlich.»
Es erstaunt, dass es der Post wirklich so schlecht gehen soll. Haben wir nicht gerade noch gelesen, dass sie der Päckliflut kaum mehr Herr wird? Wie passt das zusammen?
Die Post ist laut eigenen Angaben in einer Transformationsphase. Der Bund als Eigentümer, also am Ende der Steuerzahler, trägt dem bereits mit einer reduzierten Dividendenausschüttung (CHF 50 Mio. für 2019) Rechnung.
Das eigentliche Problem ist jedoch die Konzerntochter PostFinance. Diese erhält seit Jahren postinterne Transferzahlungen. So flossen im Jahr 2019 CHF 71 Mio. von der Briefpost an die PostFinance. Deren Lage ist tatsächlich schwieriger als die anderer Finanzinstitute. So lebte sie bisher vor allem vom Zinsdifferenzgeschäft, durfte aber keine direkten Kredite oder Hypotheken vergeben. In der nun schon sehr lang anhaltenden Tiefzinsphase hat sich deshalb ihr Betriebsergebnis mehr als halbiert (2011: CHF 591 Mio., 2019: CHF 240 Mio.).
Mit der Teilrevision des Postorganisationsgesetzes soll Abhilfe für die schwächelnde Post-Tochter geschaffen werden. Sogar eine Teilprivatisierung wird diskutiert.
Politisch ist hier also noch einiges in der Schwebe. Aus meiner Sicht muss man auch die Frage zulassen, ob es Aufgabe der Brief- und Paketkunden sein soll, das Ergebnis der PostFinance AG weiterhin zu verbessern. Deshalb sage ich: Wenn die Post mit einem Begehren für Preiserhöhungen bei Briefen und /oder Paketen an mich gelangt, werde ich deren Notwendigkeit sehr genau prüfen. Und dabei im Hinterkopf behalten, dass man, wenn man in einem Landgasthof Znacht isst, auch «nur» sein Essen zahlt und nicht die drei defizitären Gästezimmer im Obergeschoss, die auch noch da wären.
Heute hat die Alliance SwissPass die Preis- und Sortimentsmassnahmen für das Jahr 2020 und teilweise auch schon für 2021 vorgesellt.
Die Geschmacksrichtung dieses Pakets ist bestenfalls «bitter-süss». Grosse Kunden-Geschenke erwartet zurzeit wohl niemand - der öV war und ist von der Corona-Krise stark betroffen. Trotzdem ist seine Situation nicht mit der von vielen privaten Unternehmen vergleichbar: Denn einen freien Fall gibt es hier nicht. Der Fallschirm aus der Bundeskasse sitzt fest auf dem Rücken, und die Reissleine wurde bereits gezogen: Das Parlament hat ein grosses Hilfspaket verlangt, und der Bundesrat wird dies wohl in den kommenden Tagen/Wochen beraten. Deshalb darf und sollte eine kritische Auseinandersetzung mit den angekündigten Massnahmen stattfinden.
Ich jedenfalls halte das Massnahmenpaket aufgrund der zu erwartenden Mehreinnahmen nicht für unbedenklich und habe dies der Branche bereits so mitgeteilt.
Darüber hinaus zweifle ich, dass der Grossteil der Massnahmen das vordringlichste Ziel verfolgen, nämlich die Menschen in den öV zurückzubringen. Insgesamt sehe ich wenige, zaghafte Ansätze die geeignet sind, den öV-Anteil am Gesamtverkehr zu halten. Andererseits haben einige der Massnahmen das Potential, das genaue Gegenteil zu bewirken.
Die Massnahme können in drei Kategorien unterteilt werden. Erstens: Zielführende Massnahmen. Zweitens: Korrekturen von Unsäglichkeiten und Kosmetik und Drittens: Massnahmen, die zur Rückgewinnung von Kunden ungeeignet oder hinderlich sind.
Das Erfreuliche zuerst: Es soll Sparklassenwechsel und Spar-Kleingruppen geben. Beides ist ein Kundenbedürfnis und geeignet, auch Kunden, die sonst Alternativen wählen würden, in den öV zu bringen. Ich begrüsse diese zukunftsweisende, kundenfreundliche Massnahme ausdrücklich.
Freuen können sich indes auch vielreisende Besitzer von mittelgrossen und grossen Hunden: Das Hunde-GA kostet für sie künftig weniger.
Damit ist die Kategorie «Freude herrscht» leider schon erschöpft.
In der Kategorie zwei – überfällig oder Kosmetik - finden sich diese Massnahmen:
Ab Ende 2021, also erst Ende nächstes Jahr, sollen Kinder unter 6 Jahren den öV auch dann kostenlos nutzen können, wenn sie nicht von einer Person über 12 Jahren begleitet werden. Die Abschaffung dieses Konstrukts war überfällig, wie der «Shitstorm» gezeigt hat, als in Schaffhausen eine 5-Jährige in Begleitung ihrer Schwester mit einer 100-Franken-Busse wegen Schwarzfahrens belegt wurde.
Die nächste Massnahme betrifft die Vereinheitlichung der Kindertageskarte. Diese erfährt eine Preiserhöhung von bisher CHF 16 auf CHF 19. Dafür darf sie neu auch von unbegleitet reisenden Kindern benutzt werden. In der Realität wird das vermutlich so aussehen, dass viele begleitet reisende Kinder nun mehr zahlen. Wie viele unbegleitet reisende Kinder es gibt, die so weit reisen, dass sich eine Tageskarte für sie lohnt, weiss man nicht. Aber vermutlich ist ihre Anzahl deutlich geringer. Nichtdestotrotz ist ihr Sparpotential sehr gross. Gemäss Branche wäre dies erlösneutral.
Ein Relikt wird beim Monats-GA (nicht zu verwechseln mit dem Jahres-GA mit Monatszahlung) abgeschafft. Diese kaum genutzte «Monatskarte zum Halbtax» kostet CHF 420 und ist bisher eben nur in Verbindung mit einem Halbtax-Abonnement gültig. Zukünftig wird das Halbtax nicht mehr nötig sein. Der Preis bleibt gleich.
Hier wird etwas abgeschafft, das es gemäss GA-Logik nie hätte geben dürfen.
Die Möglichkeit der online-Hinterlegung von GAs – per Telefon und Schalter ging es schon immer - fällt für mich in die Kategorie Kosmetik. Kann man im Zeitalter von SwissPass, online-Banking, Siri und selbstfahrenden Bussen noch applaudieren, dass man ein öV-Abonnement online hinterlegen kann? Für viele Kunden ist die Hinterlegung nun endlich etwas bequemer. Insofern sage ich: Besser spät als nie.
Aufgehübscht wird das Jugend-Abonnement seven25. Dieses von der Zielgruppe bisher weitgehend geschmähte Angebot, soll durch die Verlängerung der Gültigkeitszeit an Wochenenden und Feiertagen bis morgens 07:00 attraktiver werden. Ob das Preis-Leistungsverhältnis so genügend austariert ist – die Jugend wird’s beantworten.
Leider sind auch Massnahmen geplant, die klare Verschlechterungen für die Kunden darstellen und zur Rückgewinnung eben dieser herzlich wenig taugen. Sie gehören damit in die Kategorie drei.
So soll die Mindestlaufzeit des GA von 4 auf 6 Monate erhöht werden. Damit steigt beispielsweise beim GA mit Monatsrechnung (Erwachsene) der Mindestpreis von CHF 1’380 (bei 4 Monaten Mindestlaufzeit) auf CHF 2’060 (bei 6 Monaten Mindestlaufzeit). Die finanzielle Mindestverpflichtung steigt also um rund CHF 700.
Statt der vielstimmig geforderten Flexibilisierung, ist das Mittel der Wahl «fesseln und knebeln» der Kunden. Besonders unverständlich ist die Massnahme im Lichte der noch nicht ausgestandenen Pandemie. Hier findet eine massive Risikoverschiebung hin zu den Kunden statt. Diese Massnahme könnte dazu führen, dass sich Kunden mit unsicheren Zukunftsperspektiven und ohne Alternativen zum öV gegen das Produkt entscheiden und stattdessen auf höherpreisige dafür aber flexible Alternativen umsteigen müssen. Flexibilisierung zur Kundenrückgewinnung sieht für mich anders aus.
Schlechte Nachrichten gibt es ebenfalls für Studentinnen und Studenten, die über 25 Jahre alt sind und das GA Junior für Studierende nutzen. Dieses Produkt wird abgeschafft. Damit wird die Altersgrenze mit denen der Tarifverbünde harmonisiert. Für die Betroffenen ist das unerfreulich. Positiv zu erwähnen ist, dass die Branche neu jeder und jedem 25-Jährigen beim Übergang vom Jugend- zum Erwachsenen-GA (also auch solchen die nicht mehr studieren) einen Rabatt gewähren will. Unter dem Strich werden bei dieser neuen Regelung dennoch Mehreinnahmen auf Seiten der Branche generiert.
Last but not least will ich die Trassenpreissenkung – rund 90 Millionen weniger kostet in Zukunft die Nutzung der Infrastruktur – ansprechen. Auf die Weitergabe haben die Kunden ein Anrecht. Wegen der Krise gehen diese freiwerdenden Mittel beim regionalen Personenverkehr 2021 zur Entlastung an die Besteller, das heisst an Bund und Kantone. Im nächsten Jahr erwarte ich jedoch - insbesondere mit Blick auf das geplante Hilfspaket - dass den Kunden diese Kostensenkung tatsächlich weitergegeben wird. Der ZVV und SBB Cargo machen es vor: Der ZVV wird ab Dezember 2020 im Grossraum Zürich den Nachtzugschlag abschaffen, und SBB Cargo wird seine Kunden - trotz schwierigen wirtschaftlichen Umfelds - von der Trassenpreissenkung profitieren lassen.
Meine Verhandlungen mit der Branche bezüglich der zu erwartenden Mehreinnahmen haben eben erst begonnen.
Jenseits der Finanzen - ich kann es nicht verhehlen – hätte ich mehr erwartet. Nämlich flexiblere Lösungen für die verschiedenen Lebensrealitäten und innovative Produkte, die die bestehenden technischen Möglichkeiten nutzen. Doch statt in ein SpaceX zu steigen, hat man hier lieber die Kutsche poliert. Schade.