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Einen Porsche zahlen und einen VW bekommen...

Seit 2019 gibt es einen nationalen Bericht zur Qualität und Patientensicherheit im schweizerischen Gesundheitswesen. Er wurde im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit im Jahr 2019 erstellt. In der Präsentation zum Bericht steht folgendes zu lesen:

«Qualität und Patientensicherheit im Schweizer Gesundheitswesen: einige beunruhigende Fakten:
•    Die Medikation von 22,5 % der über 65-Jährigen in der Schweiz ist potenziell inadäquat.
•    Zwischen 8 und 15 % der Patientinnen und Patienten werden während ihres Spitalaufenthalts Opfer eines unerwünschten Arzneimittelereignisses.
•    Eine Studie in einem Schweizer Spital ergab, dass 12,3 % der Patientinnen und Patienten während ihres Aufenthalts zu Schaden kommen. Fast die Hälfte dieser Fälle ist vermeidbar.
•    Bei hospitalisierten Erwachsenen beträgt die Dekubitusrate (Druckgeschwür - Übersetzung d. Verf.) 4 % und die Sturzrate 3,8 %.
•    Aus der Auswertung der letzten nationalen Handhygiene-Kampagne ging hervor, dass die Good Practices nur in 53 % der Fälle befolgt wurden.
•    Gemäss einer nationalen Studie in den Pflegeheimen litten 1,7 % der Bewohnerinnen und Bewohner während ihres Aufenthalts an Dekubitus, 2,0 % stürzten und verletzten sich dabei, 5,1 % hatten sich in den vorangegangenen 30 Tagen Harnwegsinfektionen zugezogen.
•    2011 ergab eine Querschnittsbefragung in Schweizer Spitälern, dass 38 % keine Strategie planten, um das Personal zur offenen Besprechung von Fehlern mit den Patientinnen und Patienten zu ermutigen.»*

Klingt das nach einer Goldmedaille in der Disziplin "Qualität"?

Im OECD-Vergleich schneiden wir gut ab, aber für Gold reicht es nicht immer: Herz-Kreislauferkrankungen zum Beispiel sind die häufigste Todesursache in der Schweiz. Die Dreissig-Tage-Mortalität nach Spitaleintritt bei Herzinfarkt (Thirty-day mortality after hospital admission for AMI, Figure 6.12, in: OECD, Health at a Glance Europe 2020) beträgt in der Schweiz 5.1%, in Dänemark hingegen sterben nur 3.2% der Betroffenen, in Holland sind es 3.5% und in Schweden 3.9%. Es gibt also durchaus Luft nach oben.

Regelmässig auf dem Siegerpodest stehen wir auf einem anderen Gebiet: den Kosten. Weltweit liegen wir auf Platz 2 hinter den USA. In Europa sind wir kostenmässig auf Platz 1 der Rangliste. Wir geben immerhin über 12% (Stand 2019) unseres BIPs für Gesundheitskosten aus. Hohes Einkommen, hohe Ausgaben. Nachvollziehbar, denn wir wollen uns Spitzenmedizin leisten. Aber genau das ist der Punkt: Spitzenmedizin und nicht Systemfehler sollen finanziert werden. So darf es beispielsweise keine Anreize geben, Dinge, die medizinisch nicht notwendig sind, aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen durchzuführen. Leider gibt es das mehr als man denkt. In der Vergangenheit wurde immer wieder über Kostenbremsen diskutiert. Die neueste Entwicklung zeigt, dass der Nationalrat nun doch bereit ist, eine allerdings sehr sanfte Version davon, zu installieren. Das ist gut – doch die Frage ist, reicht das?

Fakt ist, es gibt eine natürliche Kostengrenze. Sie ist erreicht, wenn die Mehrheit der Bevölkerung ihre Krankenkassenprämie nicht mehr zahlen kann. Dann sind wir am Ende der Fahnenstange angelangt und es bleibt nur noch die Steuerfinanzierung mit allen dazu gehörenden Konsequenzen. Schon heute kann rund ein Drittel der Prämienzahlerinnen – und –zahler ihre Prämien nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren. Tendenz steigend. Noch können wir diese Entwicklung stoppen. Doch ohne effiziente Kostenkontrolle und dem Beseitigen von Fehlanreizen wird es nicht gehen.

* https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/kuv-leistungen/qualitaetssicherung/praesentation-swiss-national-report.pdf.download.pdf/Pr%C3%A4sentation%20Swiss%20National%20Report%20(DE).pdf 

Labortarife: Wer viel hat muss viel zahlen?

Mein Newsletter vom 3. Februar 2022 hat die Laborkosten zum Thema gehabt. Diese sind in der Schweiz durchschnittlich mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland, Frankreich und Holland. Und es darf auch noch es Bitzeli mehr sein, wenn’s direkt in der Arztpraxis analysiert wird: Dann kostet es das Vierfache vom Preis in den Vergleichsländern.

Offenbar habe ich mit diesem Vergleich einigen Staub aufgewirbelt, denn die Branche hat unwirsch reagiert. Was ist etwa von den Argumenten der FAMH (Die medizinischen Laboratorien der Schweiz) zu halten? Ich habe nochmals geprüft und halte fest: Die Preisdifferenzen stimmen so, wie ich sie ausgewiesen habe. Das Sparpotential kann aufgrund neuer Zahlen, die ich letzte Woche erhalten habe, etwas genauer eingeschätzt werden und liegt bei rund 1.25 Mia. Franken: 1 Mia. Franken bei den Kassen und 250 Mio. Franken bei den Selbstzahlern. Ein enormes Potential, das wir wenigstens teilweise ausschöpfen sollten.

Medizinische Analysen sind standardisierte und häufig hochautomatisierte Leistungen. Die Schweizer Labors, die über moderne Laboranlagen verfügen, können ihre Kosten stark reduzieren - durch Materialeinsparung und weniger Personal. Dank Digitalisierung können die meisten Analyseresultate sogar automatisiert freigegeben werden – der Mensch ist oft nur noch marginal involviert. Ob dennoch ein geringfügiger Preisunterschied gegenüber dem Ausland gerechtfertigt ist, wenn die Produktionsfaktoren berücksichtigt werden (z. B. höhere Personalkosten, aber tiefere Zinsen in der Schweiz), müsste eine empirische Studie zeigen – wie ich bereits in meinem Newsletter schrieb.

Die Kaufkraftbereinigung, wie sie die FAMH vorschlägt, geht jedenfalls komplett fehl:
Wenn die Kaufkraftunterschiede in die Preisberechnung eingerechnet würden, käme dies einer Zementierung der Preisinsel Schweiz gleich! Es kann und darf nicht sein, dass wir mehr bezahlen sollen, weil wir mehr bezahlen können. Wozu arbeiten wir länger bei weniger Ferien, bleiben der Arbeit weniger fern und leisten mehr, wenn wir am Schluss nichts davon haben? Warum sollen die tiefen Schweizer Zinsen und die niedrigere Steuerbelastung dank einem haushälterischen Staat uns gleichsam bei den Preisen belasten?

Die Exportwirtschaft zeigt es: Die Schweiz kann preislich durchaus konkurrieren. Wenn aber Märkte abgeschottet werden wie im Gesundheitswesen, dann besteht kein Anreiz, Effizienzpotentiale auszuschöpfen und es können Übergewinne abgeschöpft werden. Darum sind auch in diesem Bereich, solange das Territorialitätsprinzip nicht aufgehoben wird – d.h. solange die Kassen nur in der Schweiz bezogene Dienstleistungen bezahlen müssen – die Preise anhand von Vergleichen mit dem Ausland festzulegen – gerade so, als ob es tatsächlichen internationalen Wettbewerb gäbe.

Unsere Nachbarländer (Deutschland und Frankreich) haben schon vor über 10 Jahren die grossen Reformen im Bereich der Biomedizin verabschiedet. Die Konzentration und Zentralisierung im Sektor der medizinischen Analysen steigerten die Effizienz wesentlich. Die Tarife sind in der Folge stark gesunken. Wie lange schaffen wir es in der Schweiz noch, die teure Versorgungsstruktur zu bezahlen, wenn aktuell schon 27.6 % der Versicherten Prämienverbilligungen beziehen? Vom nötigen Strukturwandel in der Schweizer Laborlandschaft hin zu grösseren Labors würden alle profitieren (Patienten durch rasche Versorgung und höhere Qualität, die OKP durch tiefere Kosten). Insofern kann es, anders als es die FAMH suggeriert, nicht der politische Wille sein, dass unsere teure dezentrale Versorgungsstruktur bei den Laboren einem Strukturwandel vorenthalten bleiben soll. Etwas Anderes sind die Analysen vor Ort, welche in gewissen Fällen sinnvoll sein können, namentlich, wenn sie einen zweiten Besuch in der Arztpraxis unnötig machen. Aber für den vierfachen Preis? Das geht kaum auf.

Doppelte und vierfache Preise in der Schweiz für analoge Leistungen wie in unseren Nachbarländern sind unter keinem Aspekt hinnehmbar. Wir können uns nicht erlauben, ein Sparpotential von über einer Milliarde Franken weiterhin zu vernachlässigen.

Parkgebühren: Den Stadt-Berner Politikern sei der Blick nach Zürich empfohlen

Nach der Stadt Bern plante auch die Stadt Zürich Auto-Besitzern das Leben finanziell sehr viel schwerer zu machen. Sie wollte die Anwohnerparkkarten für die blaue Zone statt für die bisherigen CHF 300 neu für CHF 780 pro Jahr verkaufen.

Das ist gemäss Medienberichten und einem Communiqué der Stadt (Parkkartenverordnung wird überarbeitet - Stadt Zürich (stadt-zuerich.ch) nun offenbar vom Tisch. Offenbar, weil die Stadtzürcher Linke sich vom Vorhaben distanziert hat. Gut so. Doch es bleiben grundsätzliche Fragen. Allen voran: Darf man die Gebührenschraube überhaupt (zu) stark anziehen? Denn erinnern wir uns: Gebühren unterscheiden nicht zwischen Arm und Reich: Alle zahlen dasselbe!

Die ursprüngliche von der Stadtzürcher Regierung vorgesehene Gebührenerhöhung wäre aus meiner Sicht jedenfalls nicht in Ordnung gewesen. Gestützt auf meinen verfassungsmässigen und gesetzlichen Auftrag hatte ich ihr deshalb formell empfohlen, auf die Gebührenerhöhung zu verzichten.

Mit der Erhöhung der Parkgebühren solle eine Lenkungswirkung bei den Autofahrern erzielt werden, die dann bestenfalls auf das Auto ganz verzichten oder dieses privat in einer Einstellhalle parkieren. Soweit so gut. Ich habe aber den Verdacht, dass hier darüber hinaus auch Einnahmen für den allgemeinen Finanzhaushalt der Stadt generiert werden sollen. Die Stadt Bern hatte das z.B. auch ganz freimütig kundgetan. Dafür sind aber Steuern da. Steuererhöhungen sind in der Politik und in den Verwaltungen jedoch weitaus weniger beliebt als Gebührenerhöhungen, denn über ihr «Sein oder Nichtsein» muss an der Urne entschieden werden. Das ist auch gut so, denn Massnahmen mit solchen grossen finanziellen Folgen sollten demokratisch legitimiert sein.

Doch zurück zu den Gebühren. Alle Gebühren der öffentlichen Hand sollten sich an den entstehenden Kosten orientieren. Aber – wenn die Stadt- und Gemeindeparlamente das in ihren Reglementen vorsehen – darf davon allenfalls auch abgewichen werden, um z.B. eine gewisse Lenkungswirkung zu erzielen. Diese Klauseln öffnen aber nicht «Tür und Tor» für Gebührenerhöhungen in unbegrenzter Höhe. Der Hüter des Tores, in anderen Worten der finanzielle Deckel, ist das sogenannte Äquivalenzprinzip. Es schreibt vor, dass es kein offensichtliches Missverhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem objektiven Wert der Leistung geben darf bzw. dass sich das Ganze in vernünftigen Grenzen halten muss. Die Grundlage des Prinzips ist als Verhältnismässigkeitsprinzip sogar verfassungsrechtlich verankert. Es gibt also wenig daran zu rütteln. Was ist der objektive Wert eines blaue-Zone-Parkplatzes? Ein zulässiger Massstab wären unter anderem auch Durchschnittserfahrungen.

Ich habe die Parkkartengebühren in allen Kantonshauptorten der Schweiz mehrfach erhoben. Die jüngste Erhebung ergab, dass für das zeitlich unbeschränkte Parkieren von Anwohnenden im ungewichteten Durchschnitt ca. Fr. 400.-/Jahr gezahlt werden mussten. Das ist etwa die Hälfte dessen, was die Stadt Zürich plante.

In meiner Empfehlung an die Stadt hatte ich zudem angemerkt, dass vor allem Anwohnende mit tiefen Einkommen durch die geplante massive Gebührenerhöhung erheblich belastet werden würden – zum Beispiel Arbeitstätige, die unregelmässige Schichten arbeiten oder aus anderen beruflichen Gründen auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen sind.

Meine Argumente scheinen bei einem grossen Teil der politisch Verantwortlichen Gehör gefunden zu haben. Es lässt sich eben nicht wegdiskutieren: Wenn man lenken will, muss man sicher sein, dass die Betroffenen überhaupt lenkbar sind. Sind sie es nicht, bleibt einerseits der Lenkungseffekt aus und andererseits werden Menschen, die mehrheitlich eh nicht auf Rosen gebettet sind, zusätzliche Lasten aufgebürdet, die sie nicht umgehen können.

Ich empfehle allen Städten und Gemeinden, die ähnliche Pläne verfolgen, sehr gut darauf zu achten, dass Mass und Weitsicht wesentliche Kriterien in diesem Prozess sind. Wenn die gewünschte Lenkungsabgabe ein Ausmass annimmt, bei dem die Verhältnismässigkeit zwischen Preis und Leistung nicht mehr gewahrt werden kann, müssen demokratisch legitimierte Steueranpassungen – zum Beispiel ausgestaltet als Lenkungssteuern - an die Stelle von Gebührenerhöhungen treten.

 

Dieser Beitrag wurde auch auf Blick.ch veröffentlicht.