Heute
(29.04.2015) hat der Bundesrat Anpassungen von zwei Verordnungen (Verordnung
über die Krankenversicherung, KVV und Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV)
beschlossen. Es wurde entschieden, wie zukünftig die Preise von
krankenkassenpflichtigen Originalmedikamenten festgelegt werden.
Die
Anpassungen sind zu grossen Teilen für uns und für alle Prämienzahler
enttäuschend ausgefallen: Ein erhebliches Einsparpotential wurde nicht genutzt.
Neben den positiven Punkten, wie die Erweiterung des Länderkorbes um drei
Länder (wobei unser Nachbarland Italien noch immer nicht darin enthalten ist),
die Weitergabe der gesetzlichen Rabatte und die zwar löbliche, aber kaum viel
bringende verbesserte Transparenz bei Entscheidungen des Bundesamtes für
Gesundheit (BAG), geben insbesondere folgende Punkte zu denken:
1.
Die
bisherige Wechselkurs-Toleranzmarge (von aktuell 3%) wird zwar
erfreulicherweise abgeschafft, dafür gibt es ein anderes „Geschenk“ an die
Pharmaindustrie: Wenn bei den dreijährlichen Preisüberprüfungen festgestellt
wird, dass der Schweizer Preis zu hoch ist, wird der Preis nicht mehr auf das
entsprechende Niveau gesenkt, sondern nur noch um zwei Drittel der
Preisdifferenz. Das bedeutet: Gäbe es eine Überprüfung zum heutigen
Euro-Wechselkurs von 1.05, werden die Preise der Medikamente, welche bisher zu
einem Euro-Wechselkurs von 1.29 bewertet waren, nicht um gut 18%, sondern nur
noch um zwei Drittel davon, d.h. um rund 12% gesenkt, was einem Wechselkurs von
über 1.10 EUR/CHF entsprechen würde.
2.
Weiterhin werden jedes Jahr nur ein
Drittel aller Medikamente überprüft. Es dauert also drei Jahre, bis ein
Medikament erneut überprüft wird. Der Effekt zeigt sich insbesondere mit den
aktuellen Wechselkursen. Das erste Drittel wird im Herbst 2016 angepasst,
während ein Drittel aller Medikamente noch bis im Herbst 2018 von einem
Wechselkurs von knapp 1.30 EUR/CHF profitiert.
3.
Bisher durfte das durchschnittliche Preisniveau
des Auslandes (ermittelt mit dem Auslandpreisvergleich, APV) in der Regel nicht
überschritten werden. Neu ist dies aufgrund des auf Wunsch der Pharmaindustrie
gestärkten therapeutischen Quervergleichs (TQV, Vergleich mit ähnlichen
Medikamenten) möglich. Anstatt den Medikamentenpreis jeweils auf dem Niveau des
tieferen resultierenden Wert aus APV bzw. TQV festzusetzen, wie es
eigentlich aufgrund des Wirtschaftlichkeitskriteriums im
Krankenversicherungsgesetz KVG richtig wäre, wird eine Mischrechnung
gemacht.
4.
Auch weiterhin können Medikamente einen Innovationszuschlag
erhalten. Es droht sogar, dass dieser weiter ausgebaut wird. Die Belohnung für
ein innovatives Medikament ist eigentlich die Aufnahme in die Kassenpflicht.
Der Innovationsschutz ist (wie in anderen Branchen auch) das Patent. Andere
Branchen haben auch kein Anrecht auf mehr Schutz und investieren trotzdem.
5.
Wie bisher verfügen die Krankenversicherer und
Patientenorganisationen im Gegensatz zu den Pharmafirmen über kein Antrags-
und Rekursrecht bei Entscheidungen rund um die Spezialitätenliste. Diese
betreffen jedoch nicht nur die finanziellen Interessen der Pharmafirmen,
sondern auch diejenigen der Krankenversicherer und Patienten.
6.
Neben der Wirtschaftlichkeit müssten auch die
Wirksamkeit und Zweckmässigkeit regelmässig überprüft werden (WZW-Kriterien).
Dies würde man sinnvollerweise mit einer Umkehr der Beweislast erreichen. Das
bedeutet, dass die Zulassungsinhaber regelmässig Daten einreichen müssten,
welche die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit erneut nachweisen. Es wurde somit
verpasst, die Streichung unwirksamer Medikamente von der Vergütung bzw.
Spezialitätenliste zu erleichtern.
Von
überhöhten Schweizer Preisen profitiert insbesondere die Pharmaindustrie. Davon
fliessen viele Franken direkt ins Ausland ab, da der Löwenanteil der in der
Schweiz konsumierten Medikamente importiert werden. Zudem sind hohe
Medikamentenpreise der falsche Weg, um die Schweizer Pharmaindustrie zu
fördern. Die Attraktivität eines Forschungs- und Produktionsstandortes ist
unabhängig von den Endpreisen der Arzneimittel, da die Regeln zur Festsetzung
der Medikamentenpreise für alle Pharmafirmen gelten, egal ob sie in der Schweiz
forschen und produzieren oder ob sie ihren Sitz im Ausland haben.
Die
alles entscheidende Frage ist: Führen diese Neuerungen letztlich zu höheren
oder zu tieferen Medikamentenkosten. Was man verspricht, ist eine
„Stabilisierung des Kostenwachstums“. Das scheint mir nicht besonders ambitiös.
Kurzum: Es wurde bei diesen Verordnungsanpassungen verpasst, ein hohes
Einsparpotential für die obligatorische Krankenversicherung und somit für die
Prämienzahler zu erzielen. Indirekt schadet das auch dem Standort Schweiz. In
Zeiten der Frankenstärke bedaure ich dies.