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Gesundheitskosten senken – wirksame Rezepte gibt es. Man müsste sie nur anwenden…

Die Gesundheitskosten – eine never ending Story. Jedes Jahr mache ich Vorschläge oder spreche Empfehlungen aus, um sie zu senken. Einzelerfolge kann ich verbuchen, aber die grossen Brocken werden von der entsprechenden Lobby vehement verteidigt.

Da nützt es auch nichts, dass die Leute längst begriffen haben, dass es so nicht weiter gehen kann. Schon heute können mehr und mehr Menschen ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen. In solchen Fällen, gibt es Prämienvergünstigungen, die die Solidargemeinschaft – also die grosse Mehrheit der Leute, die auch schon längst unter der Prämienlast ächzt – schultert. Wie lange das noch gut geht, ist eine berechtigte Frage.

Die Zahlen zeigen es, immer mehr unserer Landsleute kaufen ihre nicht-verschreibungspflichtigen Medikamente und Hilfsmittel günstiger im Ausland. Das tun sie nicht etwa fahrlässig und unter Missachtung ihrer Gesundheit, sondern sie kaufen meist ihnen wohlbekannten Produkte, die sie auch daheim erstehen würden - einfach mit einem Euro-Preisschild aufgeklebt. Glaubt man der Pharmaindustrie, riskieren sie so Ihre Gesundheit. Das entlockt Ihnen nur noch ein müdes Lächeln? Da geht es mir ähnlich.

Trotzdem muss man an dieser Front kämpfen, denn rezeptfrei dürfen Sie kaufen, was Sie wollen. Aber ist Ihr Medikament das nicht, dann haben Sie ein Problem. Ihre Krankenkasse darf Ihnen das Medikament – auch wenn es günstiger ist, aus derselben Maschine stammt und den gleichen Namen trägt wie sein Schweizer Pendant – nicht bezahlten.

Die Kassen mahnen zum Sparen und die Patienten sind willens mitzuhelfen. Zwischen ihnen und geschätzten Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe steht jedoch ein veralteter Verordnungsartikel, der von der Pharmalobby verteidigt wird als sei er eine Lizenz zum Gelddrucken.

Zwei gleichlautende Motionen von Nationalrat Christian Lohr (CVP/ TG) und Ständerat Erich Ettlin (CVP/ OW) wollen dem mündigen Bürger nun die Wahl lassen, freiwillig im Ausland Medikamente zu kaufen, zum Arzt zu gehen oder sich im Spital behandeln zu lassen. Die Kosten sollen von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet werden, wenn sie denn günstiger sind als die hiesigen.

Insbesondere für Medikamente und Hilfsmittel, die auf der sogenannten MIGL-Liste stehen, sehe ich da keine Probleme, sondern nur Vorteile. Viele Medikamente werden international gehandelt. Das heisst, man kann das gleiche Produkt in verschiedenen Ländern kaufen, sodass Qualitätsprobleme in der Regel ausgeschlossen werden können. Gleiches trifft auch für Hilfsmittel zu.

Die IV hat das Potential bereits erkannt und zahlt schon heute die Hörgerätpauschale auch für Käufe im Ausland. Auf diese Art haben Patienten mit Hörproblemen die Möglichkeit, aus einem grösseren Angebot das für sie beste Gerät zu kaufen. Ein guter Deal, bei dem der mündige Patient entscheidet, was für ihn passt. Ein Bravo an die IV diesbezüglich!

Wenn unser Gesetzgeber, speziell in den Bereichen Medikamente und Hilfsmittel der MIGL-Liste, den Wettbewerb mit dem Ausland zulassen würden - selbstverständlich komplementär zum Bezug im eigenen Land - dann wird es schwieriger für die Gesundheitsindustrie, weiterhin die exorbitanten Schweiz-Zuschläge durchzusetzen.
Bei gleichguter Versorgung könnten wir so jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag sparen, was einer Senkung der Krankenkassenprämien um mehrere Prozentpunkte gleichkäme. Wir sollten endlich handeln!

Bildquelle: www.flickr.com/NetDoktor

Enttäuschende Medikamenten-Verordnungsanpassungen

Heute (29.04.2015) hat der Bundesrat Anpassungen von zwei Verordnungen (Verordnung über die Krankenversicherung, KVV und Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) beschlossen. Es wurde entschieden, wie zukünftig die Preise von krankenkassenpflichtigen Originalmedikamenten festgelegt werden.

Die Anpassungen sind zu grossen Teilen für uns und für alle Prämienzahler enttäuschend ausgefallen: Ein erhebliches Einsparpotential wurde nicht genutzt. Neben den positiven Punkten, wie die Erweiterung des Länderkorbes um drei Länder (wobei unser Nachbarland Italien noch immer nicht darin enthalten ist), die Weitergabe der gesetzlichen Rabatte und die zwar löbliche, aber kaum viel bringende verbesserte Transparenz bei Entscheidungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), geben insbesondere folgende Punkte zu denken:

1.      Die bisherige Wechselkurs-Toleranzmarge (von aktuell 3%) wird zwar erfreulicherweise abgeschafft, dafür gibt es ein anderes „Geschenk“ an die Pharmaindustrie: Wenn bei den dreijährlichen Preisüberprüfungen festgestellt wird, dass der Schweizer Preis zu hoch ist, wird der Preis nicht mehr auf das entsprechende Niveau gesenkt, sondern nur noch um zwei Drittel der Preisdifferenz. Das bedeutet: Gäbe es eine Überprüfung zum heutigen Euro-Wechselkurs von 1.05, werden die Preise der Medikamente, welche bisher zu einem Euro-Wechselkurs von 1.29 bewertet waren, nicht um gut 18%, sondern nur noch um zwei Drittel davon, d.h. um rund 12% gesenkt, was einem Wechselkurs von über 1.10 EUR/CHF entsprechen würde.

2.      Weiterhin werden jedes Jahr nur ein Drittel aller Medikamente überprüft. Es dauert also drei Jahre, bis ein Medikament erneut überprüft wird. Der Effekt zeigt sich insbesondere mit den aktuellen Wechselkursen. Das erste Drittel wird im Herbst 2016 angepasst, während ein Drittel aller Medikamente noch bis im Herbst 2018 von einem Wechselkurs von knapp 1.30 EUR/CHF profitiert.

3.      Bisher durfte das durchschnittliche Preisniveau des Auslandes (ermittelt mit dem Auslandpreisvergleich, APV) in der Regel nicht überschritten werden. Neu ist dies aufgrund des auf Wunsch der Pharmaindustrie gestärkten therapeutischen Quervergleichs (TQV, Vergleich mit ähnlichen Medikamenten) möglich. Anstatt den Medikamentenpreis jeweils auf dem Niveau des tieferen resultierenden Wert aus APV bzw. TQV festzusetzen, wie es eigentlich aufgrund des Wirtschaftlichkeitskriteriums im Krankenversicherungsgesetz KVG richtig wäre, wird eine Mischrechnung gemacht.

4.      Auch weiterhin können Medikamente einen Innovationszuschlag erhalten. Es droht sogar, dass dieser weiter ausgebaut wird. Die Belohnung für ein innovatives Medikament ist eigentlich die Aufnahme in die Kassenpflicht. Der Innovationsschutz ist (wie in anderen Branchen auch) das Patent. Andere Branchen haben auch kein Anrecht auf mehr Schutz und investieren trotzdem.

5.      Wie bisher verfügen die Krankenversicherer und Patientenorganisationen im Gegensatz zu den Pharmafirmen über kein Antrags- und Rekursrecht bei Entscheidungen rund um die Spezialitätenliste. Diese betreffen jedoch nicht nur die finanziellen Interessen der Pharmafirmen, sondern auch diejenigen der Krankenversicherer und Patienten.

6.      Neben der Wirtschaftlichkeit müssten auch die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit regelmässig überprüft werden (WZW-Kriterien). Dies würde man sinnvollerweise mit einer Umkehr der Beweislast erreichen. Das bedeutet, dass die Zulassungsinhaber regelmässig Daten einreichen müssten, welche die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit erneut nachweisen. Es wurde somit verpasst, die Streichung unwirksamer Medikamente von der Vergütung bzw. Spezialitätenliste zu erleichtern.

Von überhöhten Schweizer Preisen profitiert insbesondere die Pharmaindustrie. Davon fliessen viele Franken direkt ins Ausland ab, da der Löwenanteil der in der Schweiz konsumierten Medikamente importiert werden. Zudem sind hohe Medikamentenpreise der falsche Weg, um die Schweizer Pharmaindustrie zu fördern. Die Attraktivität eines Forschungs- und Produktionsstandortes ist unabhängig von den Endpreisen der Arzneimittel, da die Regeln zur Festsetzung der Medikamentenpreise für alle Pharmafirmen gelten, egal ob sie in der Schweiz forschen und produzieren oder ob sie ihren Sitz im Ausland haben.

Die alles entscheidende Frage ist: Führen diese Neuerungen letztlich zu höheren oder zu tieferen Medikamentenkosten. Was man verspricht, ist eine „Stabilisierung des Kostenwachstums“. Das scheint mir nicht besonders ambitiös. Kurzum: Es wurde bei diesen Verordnungsanpassungen verpasst, ein hohes Einsparpotential für die obligatorische Krankenversicherung und somit für die Prämienzahler zu erzielen. Indirekt schadet das auch dem Standort Schweiz. In Zeiten der Frankenstärke bedaure ich dies.

Medipreise – The longer Story

Dass gut wirksame und verträgliche Medikamente etwas kosten, ist uns allen bewusst. Wir alle wollen, dass geforscht wird und wir sind auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Gute Leistung, guter Preis. Das ist das Ziel. Die Preise, die wir heute zahlen, sind jedoch recht weit davon entfernt, eine Abgeltung der eigentlichen Leistung zu sein. Immerhin gibt es seit 2012 den dreijährlichen Auslandpreisvergleich. Jedes Jahr werden die Preise von einem Drittel unserer patentgeschützten und patenabgelaufenen Originalmedikamente mit den Preisen von 6 (eher teuren) europäischen Ländern verglichen. Dabei vergleicht man Fabrikabgabepreise, also den Betrag, welchen die Herstellerfirma erhält, ohne Mehrwertsteuer und ohne (die in der Schweiz sehr hohe) Vertriebsmarge. Sind unsere Preise höher als der Durchschnitt dieser sechs Vergleichsländer, werden sie per 1. November vom Bundesamt für Gesundheit nach unten korrigiert. Schliesslich wird man nicht gesünder, wenn man mehr dafür zahlt als im europäischen Quervergleich.
In diesem Jahr wurde das letzte Drittel der Medikamente des ersten 3-Jahres Zyklus überprüft. Im Ergebnis wurden Preissenkungen, die zu Einsparungen von rund CHF 180 Millionen führen, angeordnet. Zusammen mit den beiden Vorjahren werden Einsparungen im hohen dreistelligen Millionenbereich realisiert – und zwar jährlich wiederkehrend.

Dass die Pharmaindustrie nicht erfreut ist, liegt in der Natur der Sache. Trotzdem, wir müssen keine Angst haben, dass nun Gelder für die Forschung fehlen würden: Erstens erzielen die Schweizer Pharmafirmen nur zwischen 1 und 2 Prozent ihres Jahresumsatzes mit Verkäufen in der Schweiz und zweitens stammen die Einsparungen fast ausschliesslich aus den geänderten Wechselkursen. So waren die Medikamente bis vor kurzem mit Kursen von weit über 1.50 EUR/CHF inklusive einer Wechselkurstoleranzmarge von 5 Prozent bewertet. Der neue Kurs liegt nun bei max. 1.29 EUR/CHF und beinhaltet leider immer noch die  – für mich nicht nachvollziehbare – Toleranzmarge. Die Wechselkurstoleranzmarge ist ein brachliegendes Sparpotential im Umfang von etwa CHF 100 Millionen. Medikamente sind handelbare Güter, welche dem nominalen und nicht einem künstlich überhöhten Wechselkurs unterstellt werden sollten.
Die ausländischen Listenpreise, die die Schweiz für den Auslandpreisvergleich heranzieht, sind zudem oft nicht die Preise, welche für Patienten und deren Krankenversicherer im jeweiligen Land tatsächlich gelten: Neben gesetzlich vorgeschriebenen Rabatten, wie es sie in Deutschland gibt, werden in vielen Ländern zwischen Krankenversicherern und Pharmafirmen Rabatte auf die Listenpreise ausgehandelt. Was kompliziert und nach extra-Aufwand klingt, ist für die Hersteller sehr attraktiv. Denn Länderpreisvergleiche werden bisher auf Basis der Listenpreise geführt. Hohe Listenpreise im Ausland versprechen hohe durchsetzbare Preise in der Schweiz. Diese Praxis ist Augenwischerei. Will man einen realistischen Preisvergleich, dann muss man mit effektiv bezahlten Preisen vergleichen.

Auf den ersten Blick erscheint es paradox: Die Medikamentenpreise sinken um insgesamt viele hundert Millionen aber die Krankenkassenprämien steigen trotzdem. Wie ist das möglich?

In Tat und Wahrheit sind die Medikamentenkosten 2013 zu Lasten der Grundversicherung um 2.6 Prozent gestiegen (in den Bereichen Apotheken und Ärzte, ohne Berücksichtigung der Spitäler). Die Kosteneinsparungen dank des Auslandpreisvergleichs werden mehr als wettgemacht durch Mengenausweitungen (also Mehrkonsum) und neue, teilweise sehr teure Medikamente. Ein Beispiel: Neu ist das Hepatitis-C Medikament Sovaldi auf dem Markt. Es gilt als wirkliche Innovation mit grossem therapeutischen Nutzen. Die Packung mit 28 Pillen kostet über CHF 19‘000. Fast CHF 700 pro Pille - ist das noch angemessen? Auch im Ausland ist der Preis für Sovaldi sehr hoch und der Auslandpreisvergleich stösst deshalb an seine Grenzen. Würde ein Land einen viel tieferen Preis als andere festlegen, bestünde die Gefahr, dass die Herstellerfirma das Präparat dort nicht auf den Markt bringt. Das ist für niemanden eine gute Option und genau der Grund, warum die Pharmafirmen den Preis für innovative Medikamente praktisch diktieren können. Es ist schwierig, dieses Problem zu lösen oder auch nur zu entschärfen. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Ländern könnte ein Lösungsansatz sein. Die Verhandlungsmacht gegenüber den Pharmafirmen würde beträchtlich wachsen – ein echter Vorteil insbesondere bei den innovativen Medikamenten. Je grösser die Zusammenarbeit, desto unglaubwürdiger würde die Drohung der Pharmafirmen, diesen Markt nicht zu bedienen.

Keine Frage - neue, innovative Medikamente sind medizinischer Fortschritt. Doch es gibt auch fragewürdige Fortschritte. Gar nicht selten werden ältere, günstige Medikamente vom Markt genommen und mit minimalen Änderungen wieder auf den Markt gebracht. Manchmal sollen sie dann auch zur Behandlung anderer Erkrankungen dienen. Bei Neu- bzw. Wiedereinführung sind diese Präparate oftmals viel teurer als vorher. Diese “Umsteigeteuerung“ ist ein gutes Beispiel dafür, das die Pharmaindustrie nicht nur stark im Forschen sondern auch in Betriebswirtschaft ist.

Unsere Gesundheit ist wichtig. Viele Krankheiten können heute sehr viel besser behandelt werden als früher. Ein riesen Fortschritt, der beträchtlicher finanzieller Ressourcen bedarf. Damit das weiterhin für die Schweizer Solidargemeinschaft bezahlbar bleibt, müssen wir schauen, dass wir die Leistungen der Pharmaindustrie angemessen vergüten. Das gilt nicht nur für Originalmedikamente sondern auch für die nach wie vor im Vergleich zum Ausland sehr teuren Generika. Deshalb fordere ich seit langem die Einführung eines Festbetrags- oder Referenzpreissystems im Bereich der patentabgelaufenen Medikamente. In diesem System würden die Krankenversicherer pro Wirkstoff nur noch den Preis eines günstigen Originals oder Generikums bezahlen müssten, während der Patient für die Preisdifferenz zu einem teuren (Luxus-)Präparat in derselben Wirkstoffklasse selber aufzukommen hätte. Die Pharmabranche steht diesem Vorschlag sehr kritisch gegenüber, da er sich wettbewerbsfördernd auswirkt.
Sparpotential: Rund CHF 300 Millionen pro Jahr.

Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Ich bleibe dran.

Bildquelle: MS Office, Cliparts

Italien verurteilt Roche und Novartis wegen Absprachen. Folgt nun auch Frankreich?

Was machen Sie, wenn Sie sich zwischen zwei gleich guten Medikamenten, von denen das eine teurer als das anderer ist, wählen können? Ich nehme an, Sie machen es wie ich und wählen das günstigere. Ihre Krankenkassenprämie dankt es Ihnen sicher. Dass wir leider nicht immer die Wahl haben, zeigt folgender Fall, von dem Anfang März in den Medien zu lesen war.

Im Zentrum stehen die beiden Arzneimittel Avastin und Lucentis. Die italienischen Behörden werfen der Zulassungsinhaberin von Avastin (Roche) und derjenigen von Lucentis (Novartis) Absprachen vor. Konkret sollen sie Ärzten bei der Behandlung der Augenkrankheit „feuchte Altersbedingte Makula-Degeneration (AMD)“ vom Einsatz von Avastin abgeraten und das extrem viel teurere Lucentis empfohlen haben. In den Industriestaaten ist AMD Hauptursache für eine Erblindung bei Menschen im Alter von über 50 Jahren. Novartis und Roche wurden wegen regelwidrigen Absprachen vom italienischen Kartellamt zu einem Bussgeld von jeweils rund 90 Millionen Euro verurteilt.

Avastin ist in der Schweiz nur als Krebsmedikament zugelassen und - im Gegensatz zu Lucentis - nicht für die Behandlung von AMD. Die beiden Medikamente sind jedoch sehr ähnlich, denn der Wirkstoff von Avastin bildete die Grundlage für die Entwicklung von Lucentis. Der einzige grosse Unterschied ist der Preis. Zurzeit laufen mehrere Studien, welche die Wirksamkeit von Lucentis und Avastin vergleichen. Ein erstes Ergebnis hat gezeigt, dass die Wirkung bei der Behandlung von AMD vergleichbar ist. Setzt ein Arzt aber Avastin gegen AMD ein, haftet nicht die Zulassungsinhaberin Roche, sondern der behandelnde Arzt, weil Avastin nicht für AMD zugelassen ist. Kostenbewusste Ärzte gehen also ein gewisses Risiko ein und werden für das Kosten sparen bestraft!

Als Zulassungsinhaberin von Avastin könnte Roche das relativ einfach ändern. Denn kassenpflichtige Medikamente stehen auf der Spezialitätenliste. Um in diese Liste aufgenommen zu werden, können Pharmafirmen einen Antrag stellen. Im Falle von Avastin müsste Roche lediglich eine Indikationserweiterung beantragen, da es bereits für verschiedene Krebserkrankungen zugelassen ist. Roche tut dies aber nicht.
Ich fordere seit Jahren, dass auch Krankenversicherer ein Antrags- und Rekursrecht bei allen Entscheiden im Zusammenhang mit der Spezialitätenliste erhalten. Leider ist dies bis heute nicht der Fall. Momentan sind zwei Motionen (13.3956 und 13.3973) hängig, die meine Forderung unterstützen. Es ist zu hoffen, dass sich das Parlament für eine solche Regelung entscheidet. Damit unsere Krankenkassenprämien nicht weiter explodieren.

Heutigen Presseberichten (NZZ, 10.4.2014) zufolge, ermittelt nun auch Frankreich in gleicher Sache wegen einem möglichen Verstoss gegen das Wettbewerbsrecht. Ich hoffe, dass diese neuerliche Untersuchung nun endgültig die Einsicht in die Notwendigkeit wachsen lässt und Roche den längst überfälligen Antrag auf Indikationserweiterung schnellstmöglich stellt. 

Bildquelle: MS Office, Cliparts
 

Medikamentenpreise: “besser“ ist noch weit entfernt von “gut“

Der Verband der Krankenkassen „Santésuisse“ stellte vor einigen Tagen gemeinsam mit der Branche (interpharma, vips) den neuesten Auslandsvergleich für Medikamentenpreise vor. In den Vergleich einbezogen wurden Deutschland, Dänemark, Österreich, die Niederlande, Frankreich und England. Meines Erachtens hätten weitere Länder, insbesondere  Italien, als eines unserer Nachbarländer, und die uns strukturell ähnlichen Länder Schweden und Norwegen in diesen Vergleich einbezogen werden sollen. Das hätte die Aussagekraft des Vergleichs deutlich erhöht.
Verglichen wurden die Fabrikabgabepreise bei den 200 umsatzstärksten patentgeschützten Originalmedikamenten. Im Ergebnis liegt die Schweiz nun nur noch knapp über den Durchschnitt der 6 Vergleichsländer. Ein Grund zum Jubeln? Erfreulich ist, dass der Trend in die richtige Richtung geht. Die Regulierung der Preise greift. ABER eben immer noch auf sehr hohem Niveau. Zudem spiegelt die Gestaltung des Preisvergleichs nicht die volle Realität. So machen uns die Zahlen glauben, Deutschland läge um 15 Prozent über den hiesigen Preisen. Das entspricht nicht den Tatsachen. In Deutschland gibt es gesetzlich vorgeschriebene Rabatte in Höhe von 16 Prozent. Diese sind natürlich bei den Fabrikabgabepreisen noch nicht berücksichtigt. Es kann also keine Rede davon sein, dass Deutschland teurer ist als wir, sondern im besten Fall liegen die Preise in Deutschland nur noch knapp unter unseren. Ein weiterer Punkt, der den Vergleich mit dem Ausland verzerrt, ist die Wechselkurs-Toleranzmarge, ein völlig unbegründetes Geschenk an die Pharma-Industrie. Diese gehört endlich abgeschafft. Medikamente sind handelbare Güter und sollten wie solche behandelt werden. Das heisst, der nominale Wechselkurs sollte auch für sie gelten.
Gar kein Grund zum Jubeln ist nach wie vor der Preisunterschied bei den Generika. Hier ist die Schweiz fast 50 Prozent teurer als die sechs Vergleichsländer. Die hohen Kosten spiegeln sich direkt in der geringen Nachfrage wieder. Während in drei der Vergleichsländer der Anteil der Generika an den Medikamentenverkäufen bei über 50 Prozent liegt, macht er in der Schweiz nur kümmerliche 20 Prozent aus. Kein Wunder, denn unser sogenanntes Abstandsmodell versagt im Praxistest um gute Generikapreise. Deshalb plädiere ich für das im Ausland bestens bewährte Festbetragssystem. Wählten wir dieses, würde das Bundesamt für Gesundheit für die Wirkstoffe ein bis zwei Mal jährlich eine Maximalvergütung durch die Krankenkassen festlegen. Preissenkungen von  Medikamenten, die über der maximalen Rückvergütungen liegen, wären eine logische Folge. Durch die regelmässige Anpassung der Wirkstoffvergütungen, würde der Wettbewerb unter allen Marktteilnehmern intensiviert, was flächendeckend zu tieferen Preisen für Generika und patentabgelaufenen Originalmedikamenten führen würde. Das Einsparpotential für die die sozialen Krankenkassen wäre immens und ein ernstzunehmender Beitrag für stabile Krankenkassenprämien. Worauf warten wir?

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Die Krankenkassenprämien steigen nur moderat. Hurra?

Es ist wieder soweit: Die neuen Krankenkassenprämien wurden bekannt gegeben. Die Prämien werden um durchschnittlich 2.2 Prozent erhöht. Das ist weniger als der Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Die Freude über die überschaubare Erhöhung ist gross. Trotzdem muss ich stossgebetartig einen zweiten Satz anfügen: Hoffentlich bleibt sie uns nicht in den nächsten Jahren im Halse stecken! Ich will niemanden die Freude verderben, nur die kalte Logik der Mathematik lässt wenig Spielraum. Die Kosten im Gesundheitswesen sind einmal mehr gestiegen: Im Spitalbereich ambulant (+5.8%!) und stationär (+2.7%) und auch in den Arztpraxen (+4.1%). 2.2% Prämienerhöhung deckt diesen Anstieg nicht ab. Ausgabensenkungen sind auch nirgends in Sicht im Gegenteil: Das geschätzte Kostenwachstum für das nächste Jahr beträgt 3-5%. Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass uns die diesjährige Freude wohl in den nächsten Jahren sauer aufstossen wird. Dagegen gibt es nur ein Rezept “Sparen und Optimieren“. Aber wo? Niemand will Qualitäts- oder Leistungseinbussen.

Die Wirkung der Fallpauschalen wird sich erst in den nächsten Jahren entfalten. Die grössten Sparpotentiale bieten derzeit ohne Zweifel die Spital- und Ärztetarife, die Medikamentenpreise und -margen. Komplexe Themen, deren Sparpotential unbedingt genutzt werden muss.

Neben dem gibt es auch leicht nutzbare Einsparpotentiale in relevanter Grössenordnung. Ein Beispiel ist die Liste der kassenpflichtigen Hilfsmittel (MiGel). Derzeit müssen alle Artikel dieser Liste über akkreditierte Abgabestellen bezogen werden. Was für komplexe Hilfsmittel sinnvoll ist, ist für einfache Hilfsmittel vielfach unnötig und preistreibend. Ich fände es sinnvoll für einfache Hilfsmittel die Beschaffung freizugeben, d.h. mit den bestehenden Höchstvergütungsbeträgen könnten sich die Patientinnen und Patienten wahlweise im In- oder Ausland bei allen Abgabestellen eindecken, die den gesuchten Artikel führen.
Aus Rückmeldungen von Bürgern (vgl. auch mein Blog „Wider jede Vernunft“) schliesse ich, dass man in der Bevölkerung weitestgehend offene Türen einrennen würde. Unterstützt wird diese These auch von einer repräsentativen Comparis Umfrage. In ihr spricht sich eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer dafür aus, dass die Krankenkassen Behandlungen alternativ auch im Ausland zulassen, d.h. ihre Finanzierung übernehmen sollten. Auch dieser Ansatz biete Möglichkeiten Kosten zu sparen ohne einen Leistungs- oder Qualitätsverlust in Kauf nehmen zu müssen. Wobei man m.E. hier sehr differenziert vorgehen muss und vor allem in Richtung Ergänzung statt Ersatz der Schweizer Angebote prüfen sollte – immer mit dem Ziel weniger Kosten für gleiche Qualität.

Der Volksmund formuliert salopp: Problem erkannt, Gefahr gebannt! Mitnichten, denn Wissen ist nicht Handeln. Derzeit sind noch keine Massnahmen ergriffen, die tatsächlich prämiendämpfende Wirkung hätten. Im Gegenteil, die Kosten steigen im grösseren Umfang als die Prämien. Einige Experten warnen vor einem möglichen Prämienschock – also einem drastischen Anstieg der Prämien. Zuletzt passierte dies 2010 als der Anstieg durchschnittlich 8.7% betrug. Noch ist es nicht soweit. Zeit zum Abwarten gibt es in meinen Augen aber keine. Sparen durch bessere finanzielle Anreize ist weit weniger schmerzhaft als Sparen bei Leistungsumfang und Qualität. Worauf warten wir? 

 Bildquelle: MS Office, Cliparts