Der Verband der Krankenkassen „Santésuisse“ stellte vor einigen Tagen gemeinsam mit der Branche (interpharma, vips) den neuesten Auslandsvergleich für Medikamentenpreise vor. In den Vergleich einbezogen wurden Deutschland, Dänemark, Österreich, die Niederlande, Frankreich und England. Meines Erachtens hätten weitere Länder, insbesondere Italien, als eines unserer Nachbarländer, und die uns strukturell ähnlichen Länder Schweden und Norwegen in diesen Vergleich einbezogen werden sollen. Das hätte die Aussagekraft des Vergleichs deutlich erhöht.
Verglichen wurden die Fabrikabgabepreise bei den 200 umsatzstärksten patentgeschützten Originalmedikamenten. Im Ergebnis liegt die Schweiz nun nur noch knapp über den Durchschnitt der 6 Vergleichsländer. Ein Grund zum Jubeln? Erfreulich ist, dass der Trend in die richtige Richtung geht. Die Regulierung der Preise greift. ABER eben immer noch auf sehr hohem Niveau. Zudem spiegelt die Gestaltung des Preisvergleichs nicht die volle Realität. So machen uns die Zahlen glauben, Deutschland läge um 15 Prozent über den hiesigen Preisen. Das entspricht nicht den Tatsachen. In Deutschland gibt es gesetzlich vorgeschriebene Rabatte in Höhe von 16 Prozent. Diese sind natürlich bei den Fabrikabgabepreisen noch nicht berücksichtigt. Es kann also keine Rede davon sein, dass Deutschland teurer ist als wir, sondern im besten Fall liegen die Preise in Deutschland nur noch knapp unter unseren. Ein weiterer Punkt, der den Vergleich mit dem Ausland verzerrt, ist die Wechselkurs-Toleranzmarge, ein völlig unbegründetes Geschenk an die Pharma-Industrie. Diese gehört endlich abgeschafft. Medikamente sind handelbare Güter und sollten wie solche behandelt werden. Das heisst, der nominale Wechselkurs sollte auch für sie gelten.
Gar kein Grund zum Jubeln ist nach wie vor der Preisunterschied bei den Generika. Hier ist die Schweiz fast 50 Prozent teurer als die sechs Vergleichsländer. Die hohen Kosten spiegeln sich direkt in der geringen Nachfrage wieder. Während in drei der Vergleichsländer der Anteil der Generika an den Medikamentenverkäufen bei über 50 Prozent liegt, macht er in der Schweiz nur kümmerliche 20 Prozent aus. Kein Wunder, denn unser sogenanntes Abstandsmodell versagt im Praxistest um gute Generikapreise. Deshalb plädiere ich für das im Ausland bestens bewährte Festbetragssystem. Wählten wir dieses, würde das Bundesamt für Gesundheit für die Wirkstoffe ein bis zwei Mal jährlich eine Maximalvergütung durch die Krankenkassen festlegen. Preissenkungen von Medikamenten, die über der maximalen Rückvergütungen liegen, wären eine logische Folge. Durch die regelmässige Anpassung der Wirkstoffvergütungen, würde der Wettbewerb unter allen Marktteilnehmern intensiviert, was flächendeckend zu tieferen Preisen für Generika und patentabgelaufenen Originalmedikamenten führen würde. Das Einsparpotential für die die sozialen Krankenkassen wäre immens und ein ernstzunehmender Beitrag für stabile Krankenkassenprämien. Worauf warten wir?
Bildquelle: MS Office, Cliparts
An der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz teilten EDI und Pharmaverbände mit, man habe sich über die Medikamentenpreissetzung für die kommenden zwei Jahre geeinigt. Seit Bekanntwerden der umstrittenen Verordnungsänderungen vor einem Jahr wehrten sich die Pharmavertreter vehement gegen die Abschaffung des sogenannten therapeutischen Quervergleichs (TQV) im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Immer wieder proklamierten sie, dass unbedingt auch der relative Nutzen der Arzneimittel bei der Preissetzung beachtet werden müsse.
Was auf den ersten Blick nach einer vernünftigen Forderung klang, entpuppte sich beim genaueren Hinsehen als simpler Versuch, die Medikamentenpreise künstlich hoch zu halten. Im Zuge der Frankenstärke verteuerten sich diese währungsbedingt nämlich gegenüber den Nachbarländern massiv. Mit dem eigentlichen Bewertungsinstrument, dem Auslandpreisvergleich, soll sichergestellt werden, dass Schweizer Medikamentenpreise im Durchschnitt nicht höher ausfallen als in Ländern mit wirtschaftlich vergleichbaren Strukturen. Dieser wird jedes Jahr für einen Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente durchgeführt. Müsste das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei dieser jährlichen Überprüfung den therapeutischen Quervergleich mit rein währungsbedingt überteuerten Medikamenten durchführen, würden die erwarteten Einsparungen in weitaus geringerem Ausmass anfallen.
Es ist somit grundsätzlich sehr positiv, dass den angekündigten Preissenkungen im Umfang von rund CHF 700 Millionen nun nichts mehr im Wege steht. Ich freue mich darüber – weil der Druck offenkundig zumindest teilweise Wirkung gezeigt hat. Der frühere Wechselkurs von über 1.50 CHF/EUR war schlicht nicht mehr haltbar. Aber im Grunde ist die Industrie mit diesem Deal sehr gut gefahren – er ist pharmafreundlich! Alle weiteren Zugeständnisse gegenüber der Pharmaindustrie wären aus meiner Sicht schlicht inakzeptabel gewesen. Schliesslich ist man der forschenden Industrie bereits massiv entgegen gekommen. So legte das BAG dem Auslandpreisvergleich (APV) letztes Jahr einen künstlich überhöhten Wechselkurs von CHF/EUR 1.29 zugrunde. Der eigentliche Jahresdurchschnittskurs lag bei CHF/EUR 1.23. Jeder Rappen Unterschied bedeutet de facto ein "Entgegenkommen" von wiederkehrend rund acht Millionen Franken. Wären die Grenzen offen und würde der Wettbewerb spielen, so hätten auch diese Millionen zu Gunsten der Versicherten gesichert werden können.
Dass der TQV nun ab 2015 innerhalb der Wirtschaftlichkeitsprüfung wieder angewendet werden soll, scheint vertretbar. Die massiven Wechselkursverwerfungen werden bis dann in den Medikamentenpreisen abgebildet sein. Ich werde mich aber zu gegebenem Zeitpunkt mit Bestimmtheit für eine faire, nicht bloss die Interessen der Pharmaindustrie berücksichtigende Ausgestaltung des TQV einsetzen. Der Preis des günstigeren Medikaments muss hierbei jedoch die bestimmende Referenzgrösse sein. Jegliche anderweitige Interpretation entspricht meines Erachtens nicht dem im KVG geforderten Wirtschaftlichkeitsprinzip.
Trotzdem hinterlässt die heutige Pressekonferenz einen Nachgeschmack. Sie hat gezeigt, dass es für die Pharmaindustrie ein Leichtes ist, den Bundesrat unter Androhung von Rekursen zu Verhandlungen zu zwingen. Keine faire Ausgangslage. Es braucht für alle gleich lange Spiesse – auch für uns, die wir die Prämien zum Schluss bezahlen müssen.
Ich werde mich deshalb weiterhin für ein spiegelbildliches Antrags- und Rekursrecht im Bereich der kassenpflichtigen Medikamente für Versicherer und Konsumentenorganisationen einsetzen. Das besitzen sie heute nämlich nicht. Solange dies nicht gegeben ist, besteht nämlich ständig die Gefahr, dass den Argumenten der Pharmaindustrie mehr Gehör geschenkt wird als denjenigen der Konsumenten und Patienten.