Im Jahr 2014 hatte der direkte Verkehr und mit ihm die Verbünde eine lineare Erhöhung der Preise im öffentlichen Personenverkehr von rund 3 Prozent beschlossen. Begründet wurde die Erhöhung damals mit einem prognostizierten Fehlbetrag (sog. Abgeltungslücke) von 90 Mio. Franken im Regionalverkehr. Im Klartext, die öffentliche Hand wollte nicht ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, um die bestellten Leistungen zu finanzieren, die Passagiere wurden deshalb verstärkt zur Kasse gebeten.
Nun zeigte sich, dass die Rechnung fehlkalkuliert war. Die zusätzlichen Kosten waren bei Weitem nicht so hoch wie angenommen. Da die Finanzierungslücke aus zusätzlichen Subventionen und Preiserhöhungen finanziert wurde, heisst das nichts Anderes als dass a) zu viele Subventionen gezahlt wurden (Postauto / BLS) und b) die Preiserhöhung für die Nutzer zu hoch war. Die Subventionen müssen nun zurückgezahlt werden. Aber was ist mit den zu viel bezahlten Geldern der Kunden? Diese Frage drängt sich auf, gerade wenn man sich die heutige Situation anschaut:
Der regionale Personenverkehr der SBB konnte seinen Kostendeckungsgrad erneut steigern. Die Passagiere bezahlen also mehr, der Subventionsgeber weniger. Die SBB schreiben Gewinne im Regional- und im Fernverkehr. Im Fernverkehr kann man ihr Ergebnis getrost als «bombig» bezeichnen.
Ausserdem wird der Bund die Trassenpreise wieder senken, da die Schäden, welche durch die Benutzung der Schienen entstehen, dank besserem Rollmaterial in den letzten Jahren zurückgegangen sind.
Summa summarum ist die Lage heute nicht unähnlich derjenigen in 2014 - aber mit umgekehrten Vorzeichen!
Zumindest im direkten Verkehr wäre es deshalb nichts als folgerichtig Massnahmen, nämlich Preissenkungen, zu ergreifen, die den Gewinn im Fernverkehr wieder in Richtung «angemessen» zurückschrauben und die Nutzer an den Kostensenkungserfolgen beteiligen.
Aus Sicht der Nutzer sind Preissenkungen dringend angebracht: Drei Viertel der Teilnehmer einer Bevölkerungsumfrage erachten das Preis-Leistungsangebot der SBB als schlecht oder gerade noch so genügend. SBB CEO A. Meyer hat in einem Interview zur Jahresmedienkonferenz erklärt, die Situation erkannt zu haben und sich für Preissenkungen oder zumindest für stabile Preise einzusetzen.
Herr Meyer, in dieser Sache stehe ich fest an Ihrer Seite!
Da auch der Rest der Branche von den Entwicklungen nachhaltig profitiert hat (vergessen wir nicht die Nichtweitergabe der Mehrwertsteuer-Satzsenkung in den meisten Verbünden!), sehe ich keine plausiblen Gründe, den schönen Worten nun nicht auch Taten folgen zu lassen.
Jedes Jahr erhalte ich rund 2’000 Meldungen von Bürgerinnen und Bürgern, von Unternehmen und Verbänden, die mich auf (hypothetisch) problematische Preisfestsetzungen hinweisen. Das Instrument der Publikumsmeldung ist denn auch explizit im Preisüberwachungsgesetz festgeschrieben. Die Bedeutung der Preisbeanstandungen besteht in erster Linie in ihrer Signal- und Kontrollfunktion: Signalfunktion insofern, als dass sie mir – einem Fiebermesser gleich – Probleme auf der Nachfrageseite anzeigen. Eine Kontrollfunktion haben Meldungen aus dem Publikum insbesondere mit Blick auf getroffene einvernehmliche Regelungen und Entscheidungen von mir; die entsprechenden Resultate lassen sich anhand einer Meldung der Öffentlichkeit «messen». Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Konsumentenorganisationen können mich via Online-Formular (https://www.preisueberwacher.admin.ch/pue/de/home/dienstleistungen/preisbeanstandungen-und-mitteilungen-an-die-preisueberwachung/preisbeanstandung.html) oder postalische Zustellung (Preisüberwachung, Einsteinstrasse 2, 3003 Bern) erreichen. Eine Antwort kriegt jeder und jede.
Ich bin in meiner Funktion als Preisüberwacher insbesondere dort für eine Preisbeurteilung zuständig, wo sich die Preise nicht im wirksamen Wettbewerb gebildet haben, sondern durch eine marktmächtige Unternehmung, ein Kartell oder den Staat festgesetzt worden sind. Bestehen aufgrund einer Meldung Anhaltspunkte, für eine missbräuchliche Preiserhöhung oder –beibehaltung, so leite ich vertiefte Abklärungen ein. Komme ich dabei zum Schluss, dass ein eigentliches Preiskartell vorliegen könnte, leite ich das Dossier an die Wettbewerbskommission (WEKO) weiter, weil Preiskartelle heute ja mit einer gesetzlichen Unzulässigkeitsvermutung belegt sind. Die Untersuchung der Absprache und die Sanktionierung des unzulässigen Verhaltens ist dann Sache der WEKO.
Was eine Publikumsmeldung alles in Gang setzen kann, möchte ich Ihnen anhand des folgenden aktuellen Falls veranschaulichen:
Im Mai 2017 habe ich eine Bürgeranfrage erhalten, die sich über die überall ähnlich hohen Preise von Fahrstunden und dem Verkehrskundeunterricht bei den Fahrlehrern im Oberwallis ärgerte. Um dem Meldenden eine befriedigende Antwort zu erteilen, habe ich beim Fahrlehrerverband Oberwallis (FVO) eine Stellungnahme zu den vorgebrachten Vorwürfen eingeholt. Zumal mich die Antwort des FVO nicht restlos vom Fehlen der schriftlichen Abgabe einer unverbindlichen Preisempfehlung überzeugen konnte, habe ich eine Marktbeobachtung bei den Fahrlehrern im Oberwallis durchgeführt. Aufgrund der Antworten der Fahrlehrer bestand aus meiner Sicht ein begründeter Verdacht einer Preisabsprache im Bereich der Preise für die Fahrlektion sowie für den obligatorischen Verkehrskundeunterricht. Der Sachverhalt bezog sich nicht auf die Frage der Preishöhe, die nach dem Preisüberwachungsgesetz zu beurteilen ist. Für Abklärungen betreffend Abreden über die Festsetzung der Preise ist vielmehr die WEKO zuständig. Im September 2017 leitete ich das Dossier dem Sekretariat der WEKO weiter. Ein halbes Jahr später eröffnete das Sekretariat eine Untersuchung nach Kartellrecht gegen die Aktivmitglieder des FVO. In der Folge konnte die WEKO im März 2019 eine einvernehmliche Regelung mit sämtlichen Aktivmitgliedern des FVO abschliessen. Da sich die vermuteten Preisabreden zu den Tarifen des praktischen und theoretischen Fahrunterrichts durch die WEKO in der Untersuchung erhärteten, wurden die aktive Verbandsmitglieder wegen einer unzulässigen Preisabrede mit einer Geldzahlung von gesamthaft CHF 50'000.- sanktioniert (vgl. Medienmitteilung der WEKO https://www.weko.admin.ch/weko/de/home/aktuell/medieninformationen/nsb-news.msg-id-74193.html).
Dies zeigt: Publikumsmeldungen stellen für mich eine wichtige Informationsquelle dar. Meldungen, deren Inhalt Wettbewerbsbeschränkungen und Preismissbräuche vermuten lassen, können so auch über den Einzelfall hinausgehende Marktabklärungen auslösen und – wie im erwähnten Fall – gar als sanktionierbare Verhaltensweise aufgedeckt werden. Dies ist auch der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen den beiden Wettbewerbsbehörden – der Preisüberwachung und der Wettbewerbskommission – geschuldet.